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Heinrich Heine und die Julirevolution

Die Julirevolution im Jahre 1830 in Paris erzeugte viele aufregenden Konsequenzen durch ganze Europa, und am meisten in Deutschland. Eine Folge dieser Revolution war die Gründung einer neuen Gruppe von jungen Schriftstellern, die sogenannten Jungdeutschen, die politishes Handeln für republikanische Ideale befürworteten. Heinrich Heine (1797-1856), obwohl er kein offizieler Mitglied dieser Jungdeutschenschule war, hielt trotzdem viele derselben Überzeugungen und Ideen. Als Dichter, Kritiker, und Satiriker der Regierung in Deutschland machte Heine manche Feinde, und er hatte Schwierigkeiten in seiner Heimat; deshalb übernahm er im Jahre 1831 ein freiwilliges Exil nach Frankreich, wo er den Rest seines Lebens verbrachte. In Paris war Heine ein Korrespondent für die Augsbürger Allgemeine Zeitung; er schrieb auch viele Bücher und übersetzte manche deutsche Werke ins Französische für das französische Volk. Dadurch wurde Heine in der Tat ein Vermittler zwischen Frankreich und Deutschland, indem er die Verständigung und die Kommunikation der zwei Länder förderte. Trotz der Behauptungen vieler Kritiker, die sagen, daß Heine aus Deutschland flüchtete, um sich in französische Angelegenheiten zu vertiefen, zeigen Heines Werken selbst, daß er eine aktive und unerläßliche Verbindung mit seiner Heimat behielt, und daß er eine kräftige Verfechter der Idealen der Julirevolution und des Republikanismus war, wenigstens bis zu der Rückenmarkentzündung, die er im Jahre 1848 kriegte; nachdem hörte er auf, viele politische Werken zu schreiben.

In Frankreich, nach der Besteigung des Thrones von Karl X im Jahre 1824, hat dieser versucht, viele der Änderungen, die sein Bruder Ludwig XVIII vor ihm gemacht hatte, umzukehren. Karl wurde heftig royalistisch; er sprach für mehr Kraft und das Recht aus, seine Untertanen zu beherrschen, und dies ärgerte sehr viel das französiche Volk, besonders die einzelnen, die eine Rolle gespielt hatten, den demokratischeren Ludwig XVIII nach der Niederlage Napoleons auf den Thron zu setzen. Am 26. Juli 1830, als Karl eine Reihe Verordnungen veröffentlichte, die die Preßefreiheit aussetzte und die Größe der Wählerschaft verkleinerte, wurde das Volk empört. Am folgenden Morgen, dem 27. Juli, unter der Führung von liberalen Verfechtern wie François Guizot, Louis Adolphe Thiers, und dem alternden Marquis de Lafayette, erhob sich die Stadt Paris protestierend gegen Karl. Drei Tage später dankte Karl ab und floh nach England, während sein Cousin, der Herzog von Orléans, als Louis-Philippe der Bürgerkönig gekrönt wurde. Seine Herrschaft, die sogenannte Julimonarchie, dauerte bis die Revolution von Februar 1848.

In Deutschland sowie auch in anderen europäischen Ländern waren die Folgen dieser Revolution sehr kräftig und umgehend. Die deutschen Staaten, obwohl sie noch nicht vereinigt worden waren, waren in Wirklichkeit unter der Führung von den zwei umliegenden Königreichen, Preußen und Österreich. Österreich hatte eine besonders strenge und reaktionäre Regierung, die noch mit Absolutismus und Unterdrückung auf die Drohung Napoleons reagierte. Preußen auch, obwohl als reformistisch angesehen, erzwung strenge Maßnahmen wie Zensur, um sein Volk zu kontrollieren. Das Volk, oder wenigstens die Bürger und die unteren Schichten, nahm die Revolution als ein vielversprechendes Zeichen auf. Zusätzlich zu einem positiven Sozialempfang gab es auch viele literarische und politische Folgen: wie auch anderswo in Europa erhob sich eine republikanische Bewegung, meist aus jüngeren Schriftstellern bestanden, die befürworteten, daß man das französische System als Muster benutzen solle, und daß man das ancien Régime des deutschen Feudalismus zerstören solle. Diese Gruppe von Autoren, die sich ähnliche Gruppen in anderen europäischen Ländern (wie Giuseppi Mazzinis Junges Italien) als Vorbild nahmen, nannten sich Junges Deutschland. Der Titel stammte von der Widmung eines Buches von Ludwig Wienbarg, einem der führenden Schriftsteller der jungen Deutschen. In seinem Buch Ästhetische Feldzüge schrieb er: »Dir, junges Deutschland, widme ich diese Schrift, nicht dem alten.« Diese Autoren wurden von den Idealen der Julirevolution angezogen, und auch von der Philosophie von Saint-Simon, einem der liberalen Denker zu der Zeit in Frankreich. Der Saint-Simonismus trat unter anderen sozialen Zielen für die Emanzipation der Frauen und für die sogennante Wiedereinsetzung des Fleisches ein, sowie auch für republikanische und demokratische Ansichten. Die Jungdeutschen glaubten auch, daß die Zeit gekommen war, politisch engagierte Literatur zu schreiben, nicht die altmodische Idee der Klassik und der Romantik, daß Literatur keine Beziehung zu der Politik habe. Sie förderten das Beispiel Frankreichs, wie 1832 Karl Gutzkow schrieb:

 Es gibt in Preußen Leute, die sich schämen, das Wort Konstitution in den Mund zu nehmen, und es sind sonst die schlechtesten noch nicht! In Frankreich hält die Politik und der Kampf der Parteien alle Richtungen des dichtenden und denkenden Geistes zusammen. Dort sind die Helden des Tages auch Helden des Jahrhunderts. Wir Deutsche, bisher allem öffentlichen Leben entfremdet, haben von den Goldminen der Wissenschaft nie geahnt, daß sie unter dem Boden des Staatslebens sich fortziehen .... Die Notwendigkeit der Politisierung unserer Literatur ist unleugbar. [1]


Obwohl die meisten dieser Schriftsteller keine offene Revolution gegen die Regierung wollten, wurden sie trotzdem von den politischen Führern als gefährlich angesehen, sowie auch von den konservativen Mitgliedern der neugegründeten Schulen des poetischen Realismus und des Biedermeiers. Diese hatten die gemessene, heitere und geschützte Literatur lieber als die schockierende, wilde Metaphorik der Jungdeutschen. Es muß eigentlich zugegeben werden, daß die Werke der Jungdeutschen manchmal absichtlich provozierend waren, wie in diesem Auszug aus Adolf Glassbrenners Roman Bilder und Träume aus Wien. Hier ist der Autor in ein öffentliches Bad gekommen, und er hat eine junge Witwe getroffen; jetzt bekennt er seine Anziehung zu ihr:

 »Um die Gefahr zu vermeiden, lächerlich zu werden«, antwortete ich und schlang meinen Arm um die schlanke Gestalt, an deren Formen die nasse Leinwand schmiegte, »werde ich mich an Ihnen festhalten.« Dabei trat ich sie leise auf den Fuß, und fieberhaft durchzuckte es durch meinen Körper; ich sah diesen Busen wogen, ich fühlte das warme Blut unter dem weichen Alabaster wallen; ich hatte Gottes Meisterstück in meinen Händen und wurde von heiliger Wollust ergriffen. [2]


Der wohl schärfste Kritiker der Jungdeutschen war auch Journalist: der Stuttgarter Wolfgang Menzel. Aus persönlichen Streiten, aus Antisemitismus, und aus ideologischen Unterschieden führte dieser eine Kampagne, um die Werken der Jungdeutschenschule zu verbieten. Seine Kritik an den Einfluß Heines auf die deutsche Literatur, im Jahre 1859 nach dem Tode Heines veröffentlicht, zeigt sehr klar die harten Vorwürfe, die er auf Heine und die jungen Deutschen warf:

 Trotz seiner augenfälligen, absichtlich zur Schau getragenen Nichtswürdigkeit wurde Heine in Deutschland fast vergöttert und sammelte sich unter seiner schmutzigen Fahne eine ganze Schar von Nachahmern. Diese Leute nannten sich »das junge Deutschland«. Denkt man zurück an das Urbild deutscher Jugend, wie wir es im Sifrit erkannt, so hat man hier das ekelerregende Gegenbild. Die Physiognomie des jungen Deutschland war die eines aus Paris kommenden, nach der neusten Mode gekleideten, aber gänzlich blasierten, durch Lüderlichkeit entnervten Judenjünglings mit spezifischem Moschus- und Knoblauchgeruch. [3]


Die unnachgiebige Angriffe Menzels auf die Jungdeutschen fanden Erfolg im Jahre 1835, als der deutsche Bundestag einen Beschluß verabschiedete, der manche jungdeutschen Autoren verurteilte:

 Sämtliche deutschen Regierungen übernehmen die Verpflichtung, gegen die Verfasser, Verleger, Drucker und Verbreiter der Schriften aus der unter der Bezeichnung »das junge Deutschland« oder »die junge Literatur« bekannten literarischen Schule, zu welcher namentlich Heinr. Heine, Karl Gutzkow, Heinr. Laube, Ludolf Wienbarg (sic) und Theodor Mundt gehören, ... mit allen ihnen gesetzlich zu Gebot stehenden Mitteln zu verhindern. [4]


Obwohl der Bundestag Heine unter den Schriftstellern der Jungdeutschen aufschrieb, betrachtete er sich eigentlich nicht als mit ihnen verbunden. Sicherlich teilte er viele derselben Ansichten; er hielt auch fest zu den Lehrsätzen des Saint-Simonismus, er freute sich auch über die Julirevolution, und er glaubte auch, daß die Literatur nicht mehr ausgeschlossen von der Politik sein sollte. Er förderte aber nicht, weder empfahl er, die Idee einer gewalttätigen Revolution in Deutschland, und er war sogar eigentlich nicht voll und ganz stützend allen französischen Idealen gegenüber. Trotz seiner Ableugnungen aber bestanden die allgemeine Öffentlichkeit sowie auch die meisten literarischen Kritiker darauf, Heine als ein Jungdeutscher zu klassifizieren. Später im Leben erkannte Heine an, daß er für immer mit diesen Männern verbunden war, besonders nach dem Beschluß des Bundestags im Jahre 1835.

Heine war aber schon im Exil, als dieser Beschluß gemacht wurde. Nachdem er 1797 in Düsseldorf geboren wurde, besuchte er fortlaufend die Universitäten von Bonn, Berlin, und Göttingen. Dann fing seine literarische Karriere an: er veröffentlichte eine Sammlung von Gedichten und die erfolgreichen Reisebilder, das Werk, das seine Populärität als Dichter und Schriftsteller sicherte. Ihm wurde 1825 eine Doktorwürde in Rechtswissenschaft verliehen, und zur selben Zeit beschloß er, von Judaismus zum Christentum zu bekehren. Dies fühlte er notwendig wegen der strengen Einschränkungen auf die Juden in den damaligen deutschen Staaten: in vielen Fällen war es den Juden verboten, ihre eigene Geschäfte zu haben oder ihre Häuser abends zu verlassen.

Heine fuhr mit seinem Schreiben fort; er schrieb Gedichte sowie auch Romane, aber er stieß auf Widerstand von zwei Seiten: von den Mitgliedern der romantischen Schule und von den Autoren des poetischen Realismus. Die Romantiker glaubten, daß die Werke Heines zu rauh und zynisch waren, während die Realisten Anstoß an seinem Sarkasmus und an der Öbzenität (d.h. Sinnlichkeit) in seinen Werken nahmen. Heine erwägte es, aus Deutschland auszuwandern, aber kein Land reizte ihn an. Im Jahre 1830, als er die Nachricht von der Julirevolution hörte, freute er sich; er glaubte wahrhaftig an das Ziel der Revolution, und er hoffte, daß sie Erfolg haben würde. Zu derselben Zeit sah Heine die repressiven Verhältnisse in Deutschland an, im Gegensatz zu der neugeschöpften Freiheit in Frankreich. Er schrieb:

 Ach, die große Woche von Paris! Der Freyheitsmuth, der von dort herüberwehte nach Deutschland, hat freylich hie und da die Nachtlichter umgeworfen, so daß die rothen Gardinen an einigen Thronen in Brand geriethen, und die goldenen Kronen heiß wurden unter den lodernden Schlafmützen; - aber die alten Häscher, denen die Reichspolizey anvertraut, schleppen schon die Löscheymer herbey, und schnüffeln jetzt um so wachsamer, und schmieden um so fester die heimlichen Ketten, und ich merke schon, unsichtbar wölbt sich eine noch dichtere Kerkermauer um das deutsche Volk. Armes gefangenes Volk! Verzage nicht in deiner Noth. [5]


Es wurde Heine aber ganz klar, daß das deutsche Volk bloß weder die Kraft noch den Impuls hatte, solch eine Revolution sich selbst zu schaffen, nur weil sie zu zahm und hinnehmend waren:

 Der Deutsche gleicht dem Sklaven, der seinem Herrn gehorcht ohne Fessel, ohne Peitsche, durch das bloße Wort, ja durch einen Blick. Die Knechtschaft ist in ihm selbst, in seiner Seele; schlimmer als die materielle Sklaverei ist die spiritualisierte. Man muß die Deutschen von innen befreien, von außen hilft nichts. [6]


Heine verfing sich so viel in der Julirevolution, und doch in den französischen Idealen, daß er oft, besonders später im Leben, französiche Themen als Metaphern benutzte, während er von deutschen Angelegenheiten sprach. So, zum Beispiel, beschrieb er die Hymne von Martin Luther, Eine feste Burg ist unser Gott als »die Marseillaisehymne der Reformation.« Obwohl Heine keine gewalttätige Revolution für Deutschland befürwortete, schien er trotzdem zu glauben, daß wenn es eine solche Revolution gab, wäre es für das deutsche Volk gut. In seinem Werk Die romantische Schule verglich er die menschenunwürdigen Bräuche und die Freiheitsbegrenzungen der deutschen Staaten mit Kobolde und Gespenster. Er bemerkte, daß Frankreich »ein Land, wo es gar keine Gespenster gibt« war; dann beschrieb er Deutschland:

 O! ich möchte mich auf den Straßburger Münster stellen, mit einer dreifarbigen Fahne in der Hand, die bis nach Frankfurt reichte. Ich glaube, wenn ich die geweihte Fahne über mein teures Vaterland hinüberschwenkte und die rechte exorzierenden Worte dabei ausspräche: die alten Hexen würden auf ihren Besenstielen davonfliegen, die kalten Bärenhäuter würden wieder in ihre Gräber hinabkriechen, die Golems würden wieder als eitel Lehm zusammenfallen, der Feldmarschall Cornelius Nepos kehrte wieder zurück nach dem Orte, woher er gekommen, und der ganze Spuk wäre zu Ende. [7]


So beschloß Heine endlich, Frankreich zu besuchen. Er kam im Mai 1831 an, fast ein Jahr nach der Julirevolution. Er hatte die Reise lange überlegt; es war ihm klar geworden, daß das Leben in Deutschland für ihn sehr schwer geworden war. Die Zensur wurde immer strenger, und er hatte immer mehr Schwierigkeiten damit, seine Werke herauszubringen. Doch liebte er seine Heimat, und er wollte nicht den Rest seines Lebens im Exil verbringen. Die Julirevolution zog ihn aber unerbittlich hin; schon im August 1830 hatte er geschrieben:

 Es ist mir alles noch wie ein Traum; besonders der Name Lafayette klingt mir wie eine Sage aus der frühesten Kindheit. Sitzt er wirklich wieder zu Pferde, kommandierend die Nationalgarde? Ich fürchte fast, es sei nicht wahr, denn es ist gedruckt. Ich will selbst nach Paris gehen, um mich mit leiblichen Augen davon zu überzeugen ... Es muß prächtig aussehen, wenn er dort durch die Straßen reitet, der Bürger beider Welten ... Dabei weht wieder auf den Türmen von Paris die dreifarbige Fahne, und es klingt die Marseillaise! Lafayette, die dreifarbige Fahne, die Marseillaise ... Fort ist meine Sehnsucht nach Ruhe. Ich weiß jetzt wieder, was ich will, was ich soll, was ich muß ... Ich bin der Sohn der Revolution und greife wieder zu den gefeiten Waffen, worüber meine Mutter ihren Zaubersegen ausgesprochen ... [8]


Kurz bevor er nach Frankreich umgezogen war, veröffentlichte Heine eine Sammlung von Briefen, die er auf einer Reise nach England im Jahre 1827 geschrieben hatte. Er fügte zu diesem Werk ein Nachwort hinzu, in dem er von den Folgen der Revolution sprach. Dieses Nachwort könnte als ein Zeichen des damaligen Geisteszustandes Heines gesehen werden; er schrieb, zum Beispiel:

 Die Freiheit ist eine neue Religion, die Religion unserer Zeit ... Die Franzosen sind aber das auserlesene Volk der neuen Religion, in ihrer Sprache sind die ersten Evangelien und Dogmen verzeichnet, Paris ist das neue Jerusalem, und der Rhein ist der Jordan, der das geweihte Land der Freiheit trennt von dem Lande der Philister. [9]


Heine befand sich in Paris als ein willkommener Gast: er wurde als ein deutscher Emigrant beehrt, den die Franzosen liebten. Tatsächlich liebte Heine das Leben in Paris. 1832 schrieb er an einen Freund:

 Fragt Sie jemand, wie ich mich hier befinde, so sagen Sie: wie ein Fisch im Wasser. Oder vielmehr, sagen Sie den Leuten, daß, wenn im Meere ein Fisch den anderen nach seinem Befinden fragt, so antworte dieser: ich befinde mich wie Heine in Paris. [10]


Kurz bevor er Deutschland verlassen hatte, war er mit dem deutschen Zeitungsverleger Baron von Cotta in Verbindung gesetzt worden. Dieser fragte ihn, ob Heine ein französischer Korrespondent für die Augsburger Allgemeine Zeitung sein wollte. Heine akzeptierte gern, da er nicht nur dadurch ein Gehalt bekam, sondern auch gab es ihm die Gelegenheit, seine Ideen dem Volk zu äußern.

Eigentlich war es um die Zeit, als Heine in Paris ankam, daß er anfing, ein Gefuhl dafür zu entwickeln, genau welches Ziel seine Werke nehmen würden. Obwohl es ziemlich heftig von Gelehrten disputiert worden ist, scheint es, als ob Heine sich als ein Vermittler oder ein Mittelsmann zwischen den zwei Kulturen gesehen hätte. Viele Historiker versäumen es, dieses zu bemerken, aber es kommt in den Werken Heines selbst zum Ausdruck. Die meisten literarischen Kritiker sagen, daß Heine Deutschland für Paris verließ, um sich in französische Angelegenheiten zu vertiefen, eher als seiner Heimat treu zu bleiben. Viele nennen Heine einen Abtrünniger oder einen Überläufer, und behaupten, daß er den Kontakt zu den Zuständen in Deutschland völlig verloren habe.

Manche dieser Behauptungen können wohl für Heine wahr sein, und es ist fast unleugbar, daß er Frankreich und die Ideen, denen er da begegnete, liebte. Er verließ zwar seine Heimat, aber er blieb ihr jedoch treu. Vielleicht wegen der Notwendigkeit, seine Kolumnen in der Zeitung Cottas zu schreiben, aber auch dank seines großen Interesses für die deutsche Politik, blieb Heine zu der deutschen Kultur abgestimmt. Er hatte natürlich keine Kenntnis aus erster Hand von den Ereignissen in Deutschland, weder konnte er ungehindert dahin reisen, besonders nach dem Beschluß des Bundestags. Seine Schriften zeigen aber klar, wie interessiert er für seine Heimat war. Im Wesentlichen glaubte Heine, daß er ein Vermittler der Kommunikation zwischen Deutschland und Frankreich war. Deswegen schrieb er nicht für eine Gruppe oder die andere, sondern er richtete seine Werke an die Deutschen sowie auch an die Franzosen. Er versuchte, das Verständnis der zwei Länder zu ergänzen, indem er die Kenntnis der zwei Völker vergrößerte. Seine Schriften über die deutschen Angelegenheiten sollten als eine Korrektur und eine Ermahnung für die Franzosen dienen. Ursprünglich für ein französisches Publikum geschrieben, das, so Heine glaubte, die Entwicklungen und die Tradition der deutschen Literatur mißverstand, unternahmen sie es, einige falsche Vorstellungen von Deutschland zu berichtigen, die in französischen intellektuellen Kreisen aktuell waren, sowie auch die Franzosen davor zu warnen, bestimmten abwegigen deutschen Sitten nicht zu folgen.

Diese Schriften erschienen von 1832 bis 1835 in einer französischen Zeitschrift für deutsch-französische Affären, die Revue des Deux Mondes. In seinem Werk, Zur Geschichte der Religion und Philosophie in Deutschland schrieb Heine über die Revolution, die er als sehr nahe bevorstehend in Deutschland sah; er warnte die Franzosen:

 Lächelt nicht über den Phantasten, der im Reiche der Erscheinungen dieselbe Revolution erwartet, die im Gebiete des Geistes stattgefunden. Der Gedanke geht der Tat voraus wie der Blitz dem Donner. Der deutsche Donner ist freilich auch ein Donner und ist nicht sehr gelenkig und kommt etwas langsam herangerollt; aber kommen wird er, und wenn Ihr es einst krachen hört, wie es noch niemals in der Weltgeschichte gekracht hat, so wißt: der deutsche Donner hat endlich sein Ziel erreicht. Bei diesem Geräusche werden die Adler aus der Luft tot niederfallen, und die Löwen in der fernsten Wüste Afrikas werden die Schwänze einkneifen und sich in ihren königlichen Höhlen verkriechen. Es wird ein Stück aufgeführt werden in Deutschland, wogegen die französische Revolution nur wie eine harmlose Idylle erscheinen möchte. [11]


Diese Schrift, als er zum ersten Mal im Jahre 1834 veröffentlicht wurde, wurde dem Prosper Enfantin gewidmet, dem damaligen Leiter der Schule des Saint-Simonismus, obwohl die Widmung später von Heine entzogen wurde. Am Anfang des Werkes gibt Heine spezifisch seine Absichten an: indem er das Werk schrieb, wollte er dem französischen Volk eine Diskussion der deutschen Literatur geben, die sie verstehen könnten. Diese Schrift wurde später in einem Buch mit dem Titel De l'Allemagne einbezogen, zusammen mit seinem früheren Werk Die romantische Schule. Als er seinen Zweck erklärte, sagte Heine, daß er eigentlich ein Buch von der berühmten Madame de Staël verbessern wollte. Jenes Buch, das im Jahre 1814 erschienen war, hatte zufällig den gleichen Titel: De l'Allemagne.

Ein anderes Mittel, das Heine benutzte, während er die zwei Kulturen näher zu bringen versuchte, war ziemlich ironisch, indem er ihre Unterschieden darstellte. Während er dies machte, stellte er Vergleiche an, in seinem typisch witzigem, ironischem Stil, der seine Abstimmung an die beiden Länder sehr klar zeigte. Später in dem selben Werk besprach Heine die deutsche Reaktion auf die französische Revolution, und er machte einen interessanten Vergleich, der sicher den Franzosen einen Blick in die deutsche Denkart gab:

 Das große Wort der Revolution, das Saint-Just ausgesprochen: le pain est le droit du peuple, lautet bei uns: le pain est le droit divin de l'homme. Wir kämpfen nicht für die Menschenrechte des Volks, sondern für die Gottesrechte des Menschen. Hierin, und in noch manchen andern Dingen, unterscheiden wir uns von den Männern der Revolution. [12]


Heine verbrachte den Rest seines Lebens in Paris, obwohl er eine einzige Reise zurück nach seiner Heimat im Jahre 1842 nahm, um seine Mutter zu besuchen. Im Jahre 1843 hörte er auf, für die Augsburger Allgemeine Zeitung zu schreiben. Im Jahre 1848 wurde er mit einer Rückenmarkentzündung krank, als Folge der Syphilis, die er während dem Studium in Göttingen gekriegt hatte. Während der acht folgenden Jahre war er ans Bett gefesselt; deshalb nannte er sein Bett seine »Matratzengruft«. Die Revolution von Februar 1848, die die französische Julimonarchie stürtzte, kam eigentlich als keine Überraschung für Heine, weil er wohl wußte, daß unter den niedrigen Ständen Unruhe sich erhöht hatte; auch sah er gewiß die Lebensmittelsknappheiten und das allgemeine Elend, das wieder durch ganz Frankreich einsetzte. Obwohl Heine nicht mehr so aktiv schrieb, nachdem er 1849 fast blind geworden war, drückte er seine Gefühle von Traurigkeit und Enttäuschung aus. Er hatte früher seine Sorgen über den Lauf der Julirevolution geäußert, wie in diesem Auszug:

 Es ist schon eine ältliche Geschichte. Nicht für sich, seit undenklicher Zeit, nicht für sich hat des Volk geblutet und gelitten, sondern für andre. Im Juli 1830 erfocht es den Sieg jene Bourgeoisie, die ebensowenig taugt wie jene Noblesse, an deren Stelle sie trat, mit demselben Egoismus ... Das Volk hat nichts gewonnen durch seinen Sieg als Reue und größere Not. Aber seid überzeugt, wenn wieder die Sturmglocke geläutet wird und das Volk zur Flinte greift, diesmal kämpft es für sich selber und verlangt den wohlverdienten Lohn. Diesmal wird der wahre, ächte Medor geehrt und gefüttert werden ... Gott weiß, wo er jetzt herumläuft, verachtet, verhöhnt, und hungernd ... Doch still, mein Herz, du verrätst dich zu sehr ... [13]


Heinrich Heine ist am 17. Februar 1856 in seiner Wohnung in Paris gestorben. Er hatte in seinen letzten Jahren sehr wenig an der Politik teilgenommen; trotzdem behielt er eine enge Verbinding mit seiner Heimat durch seine Korrespondenz und durch die Besuche seiner Freunde. Obwohl es von vielen Kritikern behauptet wird, daß Heine Deutschland verließ, um sich auf politisches und soziales Leben in Paris zuzuwenden, wird dieses von seinen vielen Schriften über Deutschland widerlegt, sowie auch von seinem ausgedrückten Ziel, die Vermittlung zwischen Deutschland und Frankreich zu erleichtern. Als eine Folge der Julirevolution kam dann Heinrich Heine, einer der größsten deutschen Dichter, nach Paris, und da hatte er Erfolg, eine Vehikel zu gründen, die die kulturellen Verständnisse verbesserte. Heine hörte eigentlich nie auf, für Deutschland zu schreiben, sogar als er im Exil in Frankreich war, und er muß nicht als ein Verräter gesehen werden, sondern als ein treuer Bürger, der zum Wohle seiner Heimat arbeitete.




Zitate:

(1)  Karl Gutzkow, Briefe eines Narren an eine Närrin (Hamburg, 1832), zitiert nach Jost Hermand, Hrsg., Das Junge Deutschland: Texte und Dokumente (Stuttgart: Philipp Reclam, jun., 1966), S. 101. [return to text]
(2)  Adolf Glassbrenner, Bilder und Träume aus Wien (Leipzig, 1836), zitiert nach Hermand, S. 161. [return to text]
(3)  Wolfgang Menzel, Deutsche Dichtung III (Stuttgart, 1859), zitiert nach Hermand, S. 338. [return to text]
(4)  »Der Beschluß des Bundestags« zitiert nach Hermand, S. 331. [return to text]
(5)  Heine, zitiert nach Lev Kopelev, Ein Dichter kam vom Rhein: Heinrich Heines Leben und Leiden (Berlin: Severin und Siedler, 1981), S. 211. [return to text]
(6)  Heine, Gedanken und Einfälle, in Ernst Elster, Hrsg., Heinrich Heines Sämtliche Werke (Leipzig: Bibliographisches Institut, 1925), Band VII, S. 431. [return to text]
(7)  Heine, Die romantische Schule, in Elster, Sämtliche Werke, Band VII, S. 325. [return to text]
(8)  Heine, Ludwig Börne: Eine Denkschrift, in Elster, Sämtliche Werke, Band V, S. 58. [return to text]
(9)  Heine, zitiert nach Lev Kopelev, S. 221. [return to text]
(10)  Heinrich Heine, Briefe, Hrsg. Friedrich Hirth (Mainz: Florian Kupferberg Verlag, 1950), Band II, S. 24. [return to text]
(11)  Heine, zitiert nach Harald Weinrich, »Heinrich Heines deutsch-französische Parallelen« im Heine-Jahrbuch 1987 (Hamburg: Hoffmann und Campe Verlag, 1987), S. 120. [return to text]
(12)  Heine, zitiert nach Jürgen Brummack, Hrsg., Heinrich Heine: Epoche, Werk, Wirkung (München: C. H. Beck Verlag, 1980), S. 192. [return to text]
(13)  Heine, Ludwig Börne: Eine Denkschrift, in Elster, Sämtliche Werke, Band V, S. 66. [return to text]






Written and © Nancy Thuleen in 1991 for German 141 at Pomona College.

If needed, cite using something like the following:
Thuleen, Nancy. "Heinrich Heine und die Julirevolution." Website Article. 13 May 1991. <http://www.nthuleen.com/papers/141paper.html>.